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Haus der Lederer und Kaufleute

Das Bürgerhaus vlg. Oberer Lederer zählt zu den ältesten Gebäuden im Markt Weitensfeld. Bis 1880 war das Haus mit dem Lederer-Gewerbe verbunden, danach zogen Kaufleute ein. Seit 1911 befindet sich das Bürgerhaus im Besitz der Familie Mosser.

Nach schweren Regenfällen kam es im Oktober 1909 im Gurktal zu einer Hochwasserkatastrophe. Viele Gebäude im Markt Weitensfeld wurden überschwemmt und zu Teil stark beschädigt, darunter das Bürgerhaus vulgo Oberer Lederer am Marktplatz 1. Der Hauseigentümer Matthias Filipowsky konnte oder wollte sich die Reparaturarbeiten im Oberer-Lederer-Haus nicht leisten und verkaufte es samt Grundstücken und Wirtschaftsgebäuden am 24. April 1911 an Johann „Hans“ Mosser, der im Rettl-Haus am Oberen Markt eine Gemischtwarenhandlung betrieb und nun im neu erworbenen Gebäude ein weiteres Geschäft eröffnete. Seit damals befindet sich das Bürgerhaus vulgo Oberer Lederer im Besitz der Familie Mosser.

Das Mosser-Kaufhaus im Jahr 1911

Bürgerhaus mit Ledererbetrieb

Wie der Name Oberer Lederer sagt, befand sich im Bürgerhaus Nr. 1 nahe des Marktplatzes ein Lederer- bzw. Gerberbetrieb. Der auf älteren Bildern dargestellte Dachboden mit den Gaupen diente zur Trocknung der Häute. Die Nummer 1 erhielt das Gebäude im Zuge der von Maria Theresia 1770/71 angeordneten Neunummerierung der Wohnhäuser in Österreich, um die Steuereinhebung effizienter zu machen und Wehrpflichtige besser erfassen zu können. Nach dem Großbrand des Jahres 1813 in Weitensfeld und der Wiedererrichtung von Gebäuden stimmte die Reihenfolge der Hausnummern teilweise nicht mehr.

Es gab auch ein Bürgerhaus vlg. Unterer Lederer. Es handelt sich um das Haus Weitensfeld 8 (heute Marktplatz 15). Dieses Gebäude ist den Weitensfeldern auch als „Hauk-Haus“ in Erinnerung. Franz Hauk war der letzte Gerber im Unterer-Lederer-Haus, das Ende 2014 wegen Baufälligkeit abgerissen wurde.

Das Oberer-Lederer-Haus wurde 1743 vom Lederer Lorenz Krainer erworben. Ihm folgte als Besitzer 1793 Simon Krainer. Der Lederer Johann Telsnig kaufte das Bürgerhaus 1814. Nach seinem Tod erbte die Witwe Theresia Telsnig 1830 den Besitz. 1880 übernahm Nikolaus Telsnig das Anwesen. Er war der letzte Lederer in diesem traditionsträchtigen Haus.

Der Oberer-Lederer-Besitz wurde am12. März 1880 von Kunigunde Pirker erworben. Schon vier Jahre später, am 7. April 1884, kaufte Matthias Filipowsky den Besitz. Der Gastwirt, Lebzelter und Wachszieher hatte 1871 bereits zwei Häuser am Marktplatz (Unterer Färber und Lebzelter-Haus) sowie 1881 die Mesner-Huber in Hardernitzen und die Haftlmacher-Keusche gekauft und zählte neben der Familie Gorton zu den wohlhabenden Weitensfeldern. Filipowski betrieb im Oberer-Lederer-Haus ein Verkaufsgeschäft.

Das Bürgerhaus vlg. Oberer Lederer heute

Kaufmannsfamilie Mosser

Johann „Hans“ Mosser, geboren am 8. Mai 1862, war der Sohn des Besitzers Franz Xaver Mosser vlg. Hofer in Gratschach bei Obervellach. Das Hofer-Anwesen unter der Burg Falkenstein befindet sich seit 1501 im Besitz der Familie Mosser. Es handelte sich um ein Freisassen-Gut. Die Freisassen waren wie die Edlinger freie Bauern und direkt dem Landesfürsten abgabenpflichtig. Sie mussten sonst keine weiteren Abgaben leisten.

Hans Mosser zog Ende des 19. Jahrhunderts in das Gurktal und erhielt eine Beschäftigung beim Gutsbesitzer und Unternehmer Fleischhacker.

1897 richtete Mosser im Rettl-Haus in Weitensfeld ein Kaufgeschäft ein. Der Mietvertrag wurde auf 25 Jahre abgeschlossen. Bald darauf baute er den Rettl-Stadel zu einem Geschäft und einer Wohnung um. Im Oktober 1911 übersiedelte er mit seiner Familie in das Oberer-Lederer-Haus, das nun der Stammsitz der Familie wurde.

Hans Mosser war mit Susanne, geb. Leitgeb (* 4.6.1868, † 24.2.1932) verheiratet. Sie war die Tochter des Land- und Gastwirts Leitgeb vlg. Hiasl in Reichenhaus bei Gurk. Mosser war Obmann der Raiffeisenkasse in Weitensfeld und Funktionär in verschiedenen Vereinen. Der Begründer der Kaufmannsfamilie in Weitensfeld starb am 5. Juni 1931.

Auszug aus einem Geschäftsbuch von Hans Mosser

Das Ehepaar Mosser hatte drei Söhne und drei Töchter. Der am 8. August 1898 geborene Sohn Friedrich, genannt Fritz, war ebenfalls Kaufmann. Er rückte 1915 als Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg ein und geriet im Winter 1916 in der Kärntner Grenzregion unter eine Lawine; dabei erlitt er Rippenbrüche. 1917 wurde er am Monte Cimone in Südtirol schwer verwundet. Er war Rentmeister (Finanzreferent) beim Prinzen Liechtenstein in Rosegg und starb am 10. Dezember 1979

Hans Mossers TöchterJohanna (* 6.10.1899, † 14.4.1928), Susanna (* 11.3.1906, † 1.5.1924) und Martha (* 23.7.1909, † 16.3.1926) starben als junge Frauen.

Ernst und Elise Mosser

Der zweite Sohn Ernst, geboren am 5. Februar 1901, war nach der Handelsschule bei einer Bank in Klagenfurt beschäftigt, besuchte danach die Handelsakademie und nahm in einer Studentenkompanie beim Kärntner Abwehrkampf teil. Danach war er leitender Angestellter bei der damals größten Kärntner Holzexportfirma Norika in Villach, sieben Jahre war er in Verkaufsstelle in Mailand tätig. Nach dem Tod seines Vaters übernahm er 1932 das Kaufhaus in Weitensfeld. Am 27. Februar 1933 heiratete er Elisabeth „Elise“ Prosch (* 16.10.1912, † 16.11.1982) aus Treibach. Er und sein Bruder Maximilian (* 18.5.1903, † 6.8.1992) schlossen sich früh der nationalsozialistischen Bewegung an, die wirtschaftlichen Aufschwung, Arbeit, Wohlstand und Perspektiven versprach, und beteiligten sich beim Putschversuch der Nationalsozialisten im Juli 1934.

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1938 wurde Ernst Mosser NSDAP-Ortsgruppenleiter in Weitensfeld, 1940 wurde er in die Wehrmacht einberufen und 1941 in Jugoslawien eingesetzt. Danach war er in Innsbruck und Berlin unter anderem als Italienisch-Dolmetsch tätig. 1942 geriet er beim Afrika-Feldzug bei El Alamein in Gefangenschaft und kam in ein Kriegsgefangenenlager bei Calgary. 1946 wurde er in ein Lager nach England überstellt und 1947 freigelassen.

Da er nationalsozialistischer Funktionär war, wurde sein Vermögen 1947 für verfallen erklärt. Nachdem Mosser im Bundeskanzleramt in Wien interveniert hatte, konnte seine Frau Elisabeth das Geschäft im Mai 1952 von der Republik zurückkaufen und offiziell weiterführen.

Kaufhausgründer Johann „Hans“ Mosser als Jäger

In den 1950er-Jahren spezialisierte sich das Kaufhaus Mosser auch auf den Verkauf von Mopeds, Fahrrädern, Elektrogeräten und Eisenwaren. Ernst Mosser beschäftigte sich auch mit naiver Malerei, wie einige Bilder im Stammhaus zeigen. Sein Bruder Maximilian wohnte ebenfalls im Oberer-Lederer-Haus. Bis in die 1950er-Jahre wurde noch die Landwirtschaft betrieben, mit ein, zwei Kühen, Schweinen und Hühnern. Eine „Dirn“ (Dienstmagd) war dafür zuständig. Die steile Mosser-Leitn diente als „Halt“ für die Kühe. Die Wiese gehört heute Peter Steger. 1960 erfolgte ein größerer Umbau des Hauses. Die Mosser-Wiese an der Zammelsberger Straße wurde in Wohnparzellen umgewidmet, jedoch später wieder für Landwirtschaftszwecke zurückgewidmet und an Hans Hochsteiner vlg. Pfandl verkauft.

Ernst und Elise Mossers Tochter Heidrun (* 11.4.1941) absolvierte die Handelsschule in Klagenfurt und hielt sich längere Zeit in London und in Alessandria (Italien) auf. Sie arbeitete als Dolmetscherin bei der Firma Zanussi in Pordenone und später bei der Firma Electrolux.

Ingomar und Anni Mosser

Sohn Ingomar, geboren am 6. Dezember 1939, absolvierte die Handelsschule in Klagenfurt und ein Großhandelspraktikum in Wien. 1966 heiratete er auf der Flattnitz Anna, genannt Anni, geb. Stromberger vlg. Neritscher in Kaindorf.Sie besuchte die Handelsakademie in Klagenfurt und war Chefsekretärin bei der Firma Leitgeb in Kühnsdorf. Von 2000 bis 2007 war sie Obfrau der Trachtengruppe Weitensfeld. Sie war Mitglied des Arbeitskreises Orts- und Regionalentwicklung (ORE) Weitensfeld. Anni Mosser starb am 28. Juli 2022.

1966, dem Jahr ihrer Hochzeit, übernahmen Ingomar und Anni Mosser das elterliche Kaufhaus in Weitensfeld. Ingomars Vater Ernst betrieb noch bis zu seinem 71. Lebensjahr eine Handelsagentur. Im März 1983 übergab ihm sein Vater das Oberer-Lederer-Haus.

1989 richtete Ingomar Mosser am oberen Markt in Weitensfeld einen ADEG-Aktiv-Markt ein, verkaufte ihn aber schon 1991. Das Kaufgeschäft im Oberer-Lederer-Haus vermietete er. Er ist Mitgründer und Leiter des Arbeitskreises Orts- und Regionalentwicklung (ORE) Weitensfeld, er war Mitglied der Förderungsgesellschaft Gurktal, ein Gremium der Kärntner Sparkasse und ab 1977 des Verwaltungsausschusses der Gurktaler Sparkasse. Er verwaltete jahrelang die Marktkommune Weitensfeld, einen Gemeinschaftsbesitz von Weitensfelder Marktbürgern.

Die vierte Generation

Das Ehepaar Mosser hat drei Söhne: Mag. Roland Mosser, MSc (* 1967), absolvierte das Studium der Handelswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien und das Masterstudium Sportmanagement an der Universität Lausanne. Er arbeitet als Unternehmensberater in Wien und Klagenfurt. Dipl. BW. Ing. Jörg Mosser MBA (* 1968) ist Europa-Geschäftsführer des Unternehmens Messer Cutting Systems (CMS) in Groß-Umstadt. Mag. Ernst Mosser (* 1975) studierte Handelswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien und an der University of Illinois at Urbana-Champaign (USA) und startete seine Karriere im Finanzsektor. Derzeit ist er bei der fürstlich-liechtensteinischen Privatbank LGT in Wien tätig.

Februar 29, 2024 Posted by | Uncategorized | , | Hinterlasse einen Kommentar

Das Uhrmacherhaus und seine Bewohner

Das Uhrmacherhaus beim Marktplatz zählt zu den kleinen Bürgerhäusern in Weitensfeld. Die Bezeichnung geht auf Uhrmacher zurück, die bis in das späte 19. Jahrhundert im Gebäude lebten und arbeiteten.

Zwischen den Bürgerhäusern vlg. Bräuer und vlg. Platzschuster am Marktplatz befindet sich das Uhrmacherhaus, auch Haßlerhaus genannt. Es ist zwar das kleinste Gebäude im Marktplatzensemble, hat aber wie die anderen Bürgerhäuser eine interessante Geschichte.

Das „Uhrmacherhaus“ am Marktplatz in Weitensfeld

Die zweite Vulgarbezeichnung „Haßlerhaus“ geht auf den Uhrmachermeister Jakob Haßler zurück, der das Gebäude im Februar 1857 gekauft hatte. Seine Frau Kunigund(e) starb am 31. Mai 1889 56-jährig vermutlich an Magenkrebs.

Nach dem Tod von Jakob Haßler am 13. März 1894 erwarb der Schuhmachermeister Peter Sommeregger im August 1895 das Uhrmacherhaus. Peter Sommeregger, geboren am 29. August 1860, stammte aus Altenmarkt. Er war in erster Ehe mit Juliana, geb. Unterrainer verheiratet. Sie wurde am 13. Mai 1859 geboren, stammte aus St. Jakob ob Gurk und starb am 11. Jänner 1899, elf Tage nach der Geburt der Zwillinge Balthasar und Sylvester.

Die Familie Sommeregger war besonders tragisch von der damals hohen Kindersterblichkeit betroffen. Peter Sommeregger und seine erste Frau verloren zehn ihrer zwölf Sprößlinge im Kindesalter. Todesursachen waren hauptsächlich „Fraisen“, Diphterie, Scharlach und Lungentuberkulose. Die beiden Söhne, die das Erwachsenenalter erreichten, waren Michael und Balthasar, die wie ihr Vater Schuhmacher wurden. Michael starb am 13. Juni 1909 als 21-Jähriger an einer Lungenkrankheit. Balthasar Sommeregger wurde 67 Jahre alt und starb am 5. Mai 1966 in Judenburg.

Peter Sommeregger lebte und arbeitete zwanzig Jahre im kleinen Uhrmacherhaus. Am 19. November 1915 ersteigerte er das Wiererhaus am Marktplatz 4 für 8.000 Kronen (heutiger Wert: ca. 50.000 Euro). Peter Sommeregger starb mit 60 Jahren am 8. Jänner 1920 an Krebs. Seine zweite Frau Agnes erbte das Wiererhaus und verkaufte es 1932 auf Leibrente an Alois Payer, dessen Nachkommen es heute noch besitzen.

„Gasbock-Jula“

Nach dem Tod seines Vaters Peter übernahm Balthasar Sommeregger im Juni 1920 das Uhrmacherhaus. Er heiratete am 1. Juli 1920 Juliane Zeiler, geboren am 2. Februar 1895 in Braunsberg, und trat ihr den Hälfteanteil am Haus ab. Einige Jahre später ließ sich das Paar scheiden und Balthasar zog weg. Juliane war ab Juni 1924 Alleineigentümerin des Uhrmacherhauses. Sie verkaufte es im April 1925 an Julius Gschwind, mit dem sie auch einige Jahre liiert war. Im September 1939 erhielt sie das Haus wieder zurück. 1952 heiratete sie Franz Schlitzer, geboren am 26. Jänner 1878 in Lind bei Zammelsberg. Das Paar trennte sich aber bald wieder. Juliane hielt sich einen unüberriechbaren Ziegenbock, genannt „Peterle“, mit dem die „Gasbock-Jula“, wie sie im Ort oft genannt wurde, durch Besamungen etwas Geld verdiente.

Obwohl es im Uhrmacherhaus nur wenige Wohnräume gibt, wohnten hier neben den Besitzersfamilien auch Inwohner und ganze Familien in Untermiete, etwa die Familien Tschudnig, Staudacher und Zeiler.

Das Uhrmacherhaus wurde im März 1962 von der Marktgemeinde  Weitensfeld übernommen. Nach dem Tod der „Gasbock-Jula“ am 17. Jänner 1967 kaufte der 1912 geborene Jakob Komeier im Oktober 1967 das Anwesen.

Das "Uhrmacherhaus" in den 1960er-Jahren

Das „Uhrmacherhaus“ in den 1960er-Jahren

Familie Gasser/Felsberger

Im Oktober 1969 zogen Franz und Flora Gasser, geb. Reinsberger mit ihren drei Töchtern Erika, Veronika und Helga in das Uhrmacherhaus ein. Flora war die Schwester von Jakob Komeiers Frau Regina.

Franz Gasser, geboren am 10. August 1928, war Zimmerer und kam 45-jährig tragisch ums Leben. Bei einem Streit am 11. November 1973 versetzte ihm der Weitensfelder Horst W. mehrere Faustschläge, sodass Gasser mit dem Hinterkopf auf die Gehsteigkante fiel und am nächsten Tag im Krankenhaus Friesach verstarb, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Die Witwe Flora Gasser war ab 1975 Alleineigentümerin des Uhrmacherhauses. Nach ihrem Tod am 28. März 2011 erbte die jüngste Tochter Erika das Gebäude. Erika, geboren am 19. März 1960, heiratete 1986 den Zammelsberger Fritz Felsberger. Beide verwalten das E-Werksgebäude („Pötschermühle“) und wohnen auch dort. Das Uhrmacherhaus erhielt 2008 ihr Sohn Mario.

Mario Felsberger, geboren am 9. September 1982, absolvierte die Fleischerlehre und arbeitet in einem Baustoffhandelsunternehmen in Feldkirchen. Er errichtete in Emmersdorf in Klagenfurt am Wörthersee ein Eigenheim und verkaufte deshalb sein Haus in Weitensfeld 2021 an den Tiroler Alexander Zeilinger.

Februar 29, 2024 Posted by | Uncategorized | , , | Hinterlasse einen Kommentar

Das Bräuerhaus und seine Bewohner

Das Bürgerhaus vulgo Bräuer am Marktplatz war bis in das späte 19. Jahrhundert ein Gasthaus („Kirchenwirt“). Im Gebäude werkten auch Schuhmacher und andere Handwerker. Seit 1897 befindet sich das Anwesen im Besitz der Familie Seitlinger.

Bürgerhaus vlg. Bräuer im frühen 20. Jahrhundert

Das Anwesen vulgo „Bräuer“ (auch „Brauer“) am Marktplatz 20 und 22 (frühere Hausnummern: Weitensfeld 12 und 13) war, wie aus der Bezeichnung erkennbar ist, früher ein Gasthaus und Brauhaus, auch „Kirchenwirt“ genannt. Dem alten Gewölbehaus (Nr. 12) war an der Südseite ein kleines, ebenerdiges Haus (Nr. 13) angebaut, in dem sich eine Schusterwerkstatt befand. Zum Haupthaus gab es einen Durchgang. Das Wirtschaftsgebäude war mit Schindeln gedeckt.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wohnte die Familie Ebner im Bräuerhaus. Chrysant Ebner war Wagnermeister und stammte aus Obermillstatt. Er starb 73-jährig am 6. Februar 1849 und seine Frau Maria, geb. Gratzer 67-jährig am 22. April 1854. Ihre Kinder, die 35-jährige Maria und der 31-jährige Valentin, kamen am 30. Juli 1852 durch einen Blitzschlag ums Leben.

Mitte des 19. Jahrhunderts gehörte der Bräuer-Besitz der Familie Grebitz. Anna Grebitz bot das Anwesen 1865 zum Kauf an. Die nächsten Besitzer waren Johann Reichhold und ab Juli 1871 Michael Langwieser. Dessen Frau Maria, geb. Obersteiner, starb mit 41 Jahren am 20. Februar 1894 an den Folgen eines Sturzes. Nach dem Tod von Michael Langwieser drei Jahre später wurde sein Nachlass versteigert. Der Schätzwert der Bräuer-Realität betrug 2.258 Gulden, nach heutiger Kaufkraft knapp 40.000 Euro. Den Zuschlag erhielt im Mai 1897 Eusebius Seitlinger.

Bräuer-Anwesen vor dem Abriss des Nebenhauses und dem Bau des neuen Eigenheimes

Familie Seitlinger

Eusebius Seitlinger, geboren am 21. Februar 1867 in Zweinitz, war ein uneheliches Kind von Maria Seitlinger, der Besitzerin der Zwischenbergerkeusche in Altenmarkt. Er war Schuhmachermeister und stellte „Zoggl“ (Holzschuhe) her. Er heiratete am 13. April 1896 seine Wirtschafterin Maria, geb. Rainer (* 9.4.1866, † 12.9.1932), mit der er bereits Kinder hatte. Marias Vater war der Gurker Lederermeister Andreas Rainer. Eusebius Seitlinger war 1890 Gründungsmitglied der Freiwilligen Feuerwehr Weitensfeld. Im März 1896 hatte er das Platzweberhaus gekauft, aber mit der Übernahme des Bräuerhauses im Mai 1897 wieder veräußert. Eusebius Seitlinger betrieb das Gasthaus nicht mehr.

Im Juli 1906 erwarb Seitlinger nach dem Konkurs Josef Fischers 1905 die Bräuer-Gründe und vereinte sie wieder mit dem Bräuerhaus. Davor gehörten die Gründe Gottfried Herzele, danach seinem Sohn Ignaz, Gustava Gorton, geb. Gräfin Egger, ihrer Tochter Elise von Knapitsch, Erich Spitzer und ab 1899 Josef Fischer.

Bei der Hochwasserkatastrophe im September 1909 wurde das Bräuer-Anwesen schwer beschädigt. Im Februar 1917 wurde die Familie Seitlinger vom Bediensteten Georg Hacke bestohlen. Eusebius Seitlinger stürzte im Jänner 1917 in der Nacht aus unbekanntem Grund von ersten Stock auf die Straße und wurde schwer verletzt in das Landeskrankenhaus Klagenfurt gebracht. Die Schusterwerkstatt musste daher für einige Zeit. Maria Seitlinger ersuchte in dieser Zeit Hacke, wegen der Mäuseplage in der Werkstatt eine Katze einzuschließen und gab ihm den Türschlüssel. Hacke gab die Schlüssel zurück, ohne die Eingangstür zur Werkstatt abzuschließen. Er schlich sich zweimal in das Geschäftslokal zurück und stahl Geld und Selchwürste. Als die Diebstähle bemerkt wurden, richtete sich der Verdacht gegen Hacke. Er gestand die Straftaten und gab auch zu, dem taubstummen Schuhmachergehilfen Matthias Kreuzthaler Geld aus der Hosentasche gestohlen zu haben.

Eusebius Seitlinger starb am 5. Februar 1933 in Klagenfurt. Das Ehepaar hatte eine Reihe von Kindern. Sohn Eusebius Jakobus, geboren am 1. Mai 1898 trat nach dem Ersten Weltkrieg in die Gendarmerie ein, war Probegendarm in Brückl und danach Patrouillenleiter im Gendarmerieposten Althofen. Er heiratete am 23. Juli 1922 in Friesach. Nach einer Operation in Wien befand sich Eusebius Jakobus Seitlinger noch einige Zeit zur Rekonvaleszenz im Westen Wiens. Am späten Nachmittag des 11. Juni 1932 saß er auf einer Bank vor dem Haus Hüttelbergstraße 43. Ein uniformierter Polizist ritt in der Mitte der Hüttelbergstraße. Als dem Polizeireiter ein Auto und ein Motorrad entgegenkamen, scheute das Pferd, stieg hoch und ließ sich nicht bändigen. Seitlinger wollte dem Pferd ausweichen und lief auf die Straße, wo er vom Auto erfasst und überfahren wurde. Er erlitt einen Schädelbasisbrauch und weitere schwere Verletzungen und starb kurz darauf in der Unfallstation.

Seine Schwester Agnes Seitlinger, geboren am 21. Jänner 1901, heiratete den Landwirt Fidelius Bacher (* 18.4.1895, † 7.8.1972). Agnes bekam den Bräuer-Besitz im März 1933 übertragen. Wie viele Betriebe und Bauernhöfe in der Zwischenkriegszeit war auch das Bräuer-Anwesen stark verschuldet. 1934 erfolgte ein Hilfsverfahren der Bauernhilfskammer für Kärnten und bald nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Österreich im März 1938 ein Entschuldungsverfahren, das 1942 endete.

Im August 1948 schloss Agnes Bacher mit ihrem Mann Fidelius einen Ehepakt und er erhielt die Hälfte des Besitzes. Agnes starb am 22. Februar 1985. Ihr unehelicher Sohn Kurt Seitlinger, geboren 1923, war mit Romana verheiratet. Er erhielt mit Übergabsvertrag vom 21. Jänner 1974 das Bräuer-Anwesen. Das Ehepaar hatte sieben Kinder.

Romanas Sohn Karl Seitlinger, geboren am 21. September 1942 in Weitensfeld, erbte das Bräuerhaus. Er absolvierte die Einzelkaufmanns-Lehre im Kaufhaus Schöffmann in Weitensfeld und arbeitete danach in Konsum-Filialen in Klagenfurt, Friesach, Guttaring und Straßburg. 1969 wechselte er zum Kaufhaus Bernhard in Weitensfeld und 1971 war er in der neu eröffneten Konsum-Filiale in Weitensfeld beschäftigt. Ab 1972 arbeitete er als Außendienstmitarbeiter bei der Interunfall-Versicherung. Im Jahr 2000 ging er in Pension. Karl erbte das Bräuerhaus. 1976 ließ er das Wirtschaftsgebäude und 1979 das Schusterhäuschen abreißen und danach ein neues Wohnhaus errichten. Karl Seitlinger war Gründungsmitglied des Sportvereins Weitensfeld (1957) sowie Mitglied des Gemischten Chors, der Freiwilligen Feuerwehr Weitensfeld und des Kameradschaftsbundes. Für sein ehrenamtliches Engagement wurde er 2014 mit der Ehrennadel in Gold der Marktgemeinde Weitensfeld ausgezeichnet.

Mit seiner Frau Irmgard, geb. Trampitsch, hat Karl Seitlinger zwei Töchter: Gabriele (* 1968), verh. Obersteiner, lebt in St. Veit an der Glan. Ihre ältere Schwester Sabine (* 1966) wohnt in einem sanierten Bereich des traditionsreichen Bräuerhauses. Sie repräsentiert die fünfte Generation der Familie Seitlinger im Bürgerhaus vlg. Bräuer in Weitensfeld.

Werner Sabitzer

Das alte Bräuerhaus und das neue Seitlinger-Wohnhaus (2022)

Jungfrau auf dem Weitensfelder Marktplatz in den 1960er-Jahren, dahinter das Bräuerhaus

Juni 21, 2023 Posted by | Uncategorized | , | Hinterlasse einen Kommentar

Das alte Mesnerhaus in Weitensfeld

Das Mesnerhaus neben der Pfarrkirche in Weitensfeld war nicht nur Wohnstätte des Mesners und Organisten, sondern diente bis 1874 auch als Schule.

Arbeiter begannen am 24. Juni 1970 mit dem Abriss eines traditionsreichen Gebäudes in Weitensfeld. Es handelte sich um das Mesnerhaus neben dem Torturm der Pfarrkirche. Das baufällige Gebäude mit der rotbraunen und im ersten Stock weißen Fassade war somit Geschichte.

Im Mesnerhaus befand sich bis 1874 die Weitensfelder Schule. Sie wurde schon 1554 erwähnt. 1599 suchte die Pfarre einen neuen Lehrer und Mesner, weil der gegenwärtige Schulmeister wegen einer Erkrankung nicht in der Lage war, die Schüler zu unterrichten. Die Schüler blieben dem Unterricht fern. 1613 wurde Niclas Bernhart Schulmeister. Er war auch der Marktschreiber in Weitensfeld.

Schulen wurden damals fast durchwegs von kirchlichen Einrichtungen betrieben. In Weitensfeld war der Mesner meist auch Lehrer und Organist. Viele Lehrer auf dem Land hatten keine adäquate Ausbildung. Oft genügte es, gut lesen, schreiben, rechnen und etwas musizieren zu können.

Der Schulraum befand sich im ersten Stock des Mesnerhauses neben dem „Dreschbarren“. Primus Humnig, Pfarrer in Weitensfeld von 1837 bis 1856, beschrieb das Gebäude in seinen Aufzeichnungen: Das Erdgeschoss bestand aus einem beheizbaren Zimmer, einer Küche, einer Kammer und dem Stallbereich. Die Schule war für die Kinder in der gesamten Pfarre zuständig, mit Ausnahme der Bergbauernkinder von Massanig. Am Sonntagvormittag gab es Wiederholungsunterricht für nicht mehr schulpflichtige Interessierte. Dem Mesner wurden von der Pfarre auch ein Garten und zwei Äcker zur Verfügung gestellt. Beim letzten Großbrand im Markt Weitensfeld 1814 blieb das Mesnerhaus verschont.

Lehrer und Organist von 1820 bis 1822 war der Komponist Josef Gschwandl, geboren 1799 in Gmünd in Oberkärnten. Er erhielt schon früh Musikunterricht, absolvierte in Villach die Lehrerausbildung und begann 1819 seine Berufslaufbahn als Musiklehrer in Molzbichl. 1822 wurde Gschwandl Lehrer und Organist in Gurk. Ab 1835 war er Organist in St. Veit an der Glan und später bei den Kapuzinern in Klagenfurt. Er komponierte liturgische Gesänge und andere kirchliche Werke, darunter mehrere Messen. Dazu kamen Konzerte, Variationen, Sonaten, Terzette und Chöre. Gschwandl sammelte auch Volkslieder und verfasste Kärntnerlieder. In einer zeitgenössischen Quelle wird Gschwandl „Fleiß und gutes Betragen“ zugemessen, erwähnt sind aber auch „Trunkenheitsexzesse und Beschwerden über Unzuverlässigkeit beim Ausüben seiner Organistentätigkeit“.

Um 1840 wirkte als Lehrer und Mesner Lorenz Dugulin in Weitensfeld. Er hatte einen Schulgehilfen, der aus der Marktkasse bezahlt wurde.

Schulreform 1869

Mit dem Reichsvolksschulgesetz vom Mai 1869 wurden die Schulen zu öffentlichen Anstalten und von der Kirche unabhängig. Für die Verwaltung der neuen Schulen wurden in den Gemeinden Ortsschulräte gewählt. Der erste Ortsschulrat in Weitensfeld bestand aus dem Gutsbesitzer Wilhelm Gorton, dem Uhrmachermeister Jakob Raßler, dem Chyrurgen Leopold Seywald, dem Landwirt vlg. Huber in Massanig Mathias Mitterdorfer und dem Gastwirt und Realitätenbesitzer Gottfried Herzele. Der Pfarrer übergab dem Ortsschulratsobmann die Schulschriften und das Inventar des  Klassenraums, bestehend aus zwölf langen Schulbänken, einer kurzen Bank, zwei Schreibtafeln, einer Rechentafel, einem Tisch, zwei Sessels, dreizehn Wandtafeln, fünfzehn landschaftlichen Tabellen, einem Handatlas einer Karte von Österreich und einigen weiteren Gegenständen. Die Schulpflicht dauerte vom sechsten bis zum vierzehnten Lebensjahr. Vorgesehen waren fünf Jahre Volksschule und drei Jahre Bürgerschule. Für die Ausbildung der Lehrer dienten vierjährige Lehrerbildungsanstalten.

Nach dem Inkrafttreten des Reichsvolksschulgesetzes blieb die Schule noch einige Zeit im Mesnerhaus. Für die Erhaltung des Schulraumes war aber nun die Gemeinde zuständig. Der Pfarrer erklärte sich bereit, den Lehrer im Mesnerhaus wohnen zu lassen, wenn dieser auch die Mesnerdienste übernahm.

Um 1869 kam der Lehrer Johann Korpnik nach Weitensfeld. Er war auch Organist und wurde Vorstand des neugegründeten Bezirks-Lehrervereins als Filiale des Kärntner Lehrervereins. Korpnik wurde um 1871 als Lehrer nach Tultschnig versetzt. Mesner wurde der Schneidermeister Lorenz Konrad; er bezog das frühere Wohnzimmer des Lehrers.

Der nächste Lehrer, Matthäus Kriebernig aus Steuerberg, wohnte nicht mehr im Mesnerhaus. Die Gemeinde mietete für ihn Wohnräume in der Glasererkeusche neben dem Bürgerspitalhaus an der Gurktal-Straße. 1872 wollte der Ortsschulrat von Weitensfeld die Mesnergrundstücke zugunsten des Schulfonds verpachten. Die Kirche brachte daraufhin eine Besitzstörungsklage ein. 1874 entschied das Landesgericht Klagenfurt, dass das Mesnerhaus und die Mesner-Grundstücke der Pfarre Weitensfeld gehören und nicht der Marktgemeinde.

Matthäus Kriebernig wurde als Lehrer nach St. Johann am Brückl versetzt. Die Schule wurde 1874 mit dem Inventar vom Mesnerhaus in das Kalsbergerhaus auf dem Marktplatz verlegt, wo eine Lehrerwohnung und zwei Klassenräume zur Verfügung standen.

Mesner und Organist um 1900 war Michael Lackner. Er stammte aus Hüttenberg und war mit einer Zweinitzerin verheiratet. Drei Kinder des Paares starben bei oder kurz nach der Geburt.

Das Pfarrhaus wurde 1906 renoviert. Im gleichen Jahr kam Josef Winkler als neuer Mesner und Organist nach Weitensfeld.

Im Mesnerhaus gab es immer wieder Untermieter („Inwohner“). Peter Wintschnig (* 1878, † 1964) betrieb hier eine Tischlerwerkstatt; sein Sohn Peter (*1910, † 1987) war Organist und Mesner in Weitensfeld. Im Mesnerhaus wohnten unter anderen Erna Reinsberger sowie Peter Buggelsheim mit seiner Mutter, bevor er ein Haus in der Zammelsberger Straße errichtete.

Der letzte Weitensfelder Mesner, der im Mesnerhaus wohnte, war Franz Höfferer. Seine Frau Linde, geb. Stark, stammte vom Bauernhof vlg. Flatt. Höfferer diente als Mesner unter den Pfarrern Thomas Klampferer (* 1882, † 1963) und Walter Reschenauer (* 1929). Nachdem Höfferer mit seiner Familie nach Treibach gezogen war, übernahmen der aus Rumänien stammende Wasyl Wepruk (* 1923, † 2012) und seine Frau Sofie, geb. Osternig (* 1924, † 1995), den Mesnerdienst in Weitensfeld. Das Ehepaar Wepruk wohnte mit ihren beiden Adoptivkindern nicht mehr im Mesnerhaus, sondern im unteren Hutererhaus, auch Mischkulnighaus genannt. Dieses Gebäude wurde 2008 abgerissen. Nachdem das Gemeindeamt nach der Gemeindenzusammenlegung 1973 in die Villa Spitzing gezogen war, bewohnte die Familie Wepruk das alte Gemeindehaus in der Marktstraße. Wasyl Wepruk diente drei Jahrzehnte lang als Mesner in Weitensfeld. Nach der Pensionierung zog er nach St. Veit/Glan; zuletzt lebte er im Seniorenheim in Straßburg.

Als in Weitensfeld der neue Pfarrhof errichtet wurde, sah man keine Verwendung mehr für das alte und baufällige Mesnerhaus, sodass der Abriss des Gebäudes beschlossen wurde.

Werner Sabitzer

Juni 21, 2023 Posted by | Bürgerhäuser in Weitensfeld, Das Gurktal - Geschichte und Geschichten | , , | Hinterlasse einen Kommentar