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Die Großgemeinde Weitensfeld-Flattnitz

Vor 50 Jahren wurden die Gemeinden Weitensfeld, Glödnitz und Deutsch-Griffen zur Großgemeinde Weitensfeld-Flattnitz zusammengelegt. Nach einer Bürgerbefragung wurde die Großgemeinde 1990 wieder geteilt.

Anfang der 1970er-Jahre gab es in Kärnten viele Kleingemeinden. 75 der über 200 Gemeinden hatten weniger als 1.000 Bewohner. Mit dem am 1. Jänner 1973 in Kraft getretenen Kärntner Gemeindestrukturverbesserungsgesetz 1972 (LGBl. 63/1972 und 53/1973) erhoffte man sich eine effizientere Verwaltung und eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit, indem Kleingemeinden zu größeren Zentren zusammengeführt werden. Die Anzahl der Gemeinden in Kärnten wurde auf 121 reduziert und nach der Umsetzung der Reform gab es nur mehr in drei Gemeinden weniger als 1.000 Bewohner.

Von der Strukturreform betroffen waren auch die Kleingemeinden Weitensfeld, Glödnitz und Deutsch-Griffen. Sie wurden zur Gemeinde Weitensfeld-Flattnitz zusammengelegt. Der neuen Großgemeinde fielen mit Psein und Grua auch zwei Ortschaften der Gemeinde Pisweg zu, die mit der Gemeinde Gurk vereinigt wurde.

Die neue Gemeinde Weitensfeld-Flattnitz war 241 km² groß und hatte knapp 5.300 Einwohner. Der neue Gemeinderat bestand nach der Gemeinderatswahl aus 23 Mitgliedern. Die SPÖ hatte neun, die ÖVP acht und die FPÖ sechs Mandate. ÖVP und FPÖ bildeten eine Koalition und beschlossen, für die ersten drei Jahre Karl Reiner (FPÖ) aus Deutsch-Griffen zum Bürgermeister zu machen und für die anderen drei Jahre der Amtsperiode Hans Stromberger (ÖVP) aus Weitensfeld. Strombergers gleichnamiger Vater war von 1949 bis 1970 Bürgermeister in Weitensfeld. Amtssitz der Großgemeinde Weitensfeld-Flattnitz war die Spitzing-Villa an der Gurktal-Straße.

Schon im Jahr 1869 wollte man die Gemeinden Deutsch-Griffen, Glödnitz und Weitensfeld zusammenlegen, mit Sitz in Weitensfeld. Das wurde anlässlich einer Bürgermeisterwahl am 25. Februar 1869 in Glödnitz besprochen. Auch Gurk wollte sich mit Straßburg vereinen. Dazu kam es aber nicht.

Deutsch-Griffener „Rebellen“

Die Gemeindezusammenlegung 1973 stieß bei einem beträchtlichen Teil der betroffenen Gemeindebürger auf Ablehnung. Es kam zu vielen politischen Interventionen und Protesten. Landeshauptmann Hans Sima (SPÖ) verteidigte die Gemeindestrukturreform: „Die Maßnahme, die in beispielhafter Zusammenarbeit zwischen den im Landtag vertretenen politischen Parteien erfolgt ist, begründet sich auf der Notwendigkeit einer sinnvollen Raumordnung im Lande und entspricht dringenden Bedürfnissen der Wirtschaft und den Aufgabenstellungen der Gemeinden in der modernen Gesellschaft.“

Den heftigsten Widerstand gab es Deutsch-Griffen. Bei einer Befragung im Jahr 1972 sprachen sich 96 Prozent der Deutsch-Griffener gegen den Anschluss aus. Bei der nächsten Befragung 1980 wollten 99,6 % der Befragten in Deutsch-Griffen wieder eine eigene Gemeinde. Treibende Kraft im „Kampf für die Eigenständigkeit“ war Gottfried Gradenegger. Die Deutsch-Griffener wandten sich auch an den Verfassungsgerichtshof; die Klage war aber erfolglos. 1982 demonstrierten rund 500 Deutsch-Griffener in Klagenfurt für eine eigene Gemeinde. Sie bemängelten, dass sie die Einrichtungen der Großgemeinde wegen der großen Entfernung nicht nützen könnten und Deutsch-Griffen nur ein Anhängsel der Großgemeinde sei. Sie würden sich immer als Deutsch-Griffener fühlen und nicht als Bürger der Großgemeinde.

„Bürgernähe statt Bürokratie“

Die Gemeindestrukturreform hatte auch ihre Schwächen und Misserfolge. In den 1980er-Jahren verstärkte sich die Unzufriedenheit und Unbehagen in vielen von der Reform betroffenen Gemeinden. Gottfried Gradenegger gründete am 23. Februar 1989 eine überparteiliche Aktionsgemeinschaft für die Wiederherstellung der aufgelösten Gemeinden in Kärnten. Vertreter von 33 Altgemeinden beteiligten sich an der Aktionsgemeinschaft.
Es kam zu einem Umdenken in Kärnten. Die Obmänner der ÖVP und FPÖ in Kärnten, Jörg Haider und Harald Scheucher, unterstützten die Initiativen zur Wiederherstellung der Altgemeinden. „Die Gemeindezusammenlegung hat in vielen Großgemeinden zu mehr Bürokratie und zu vielen Erschwernissen für die Bürger geführt. Lange Anfahrtswege zu den Gemeindeämtern, die Entfernung zwischen Beamten und Bevölkerung bereiten allen große Probleme“, schrieb Landeshauptmann-Stellvertreter Scheucher in einem Brief an Gradenegger. Die Kärntner Volkspartei unterstütze daher voll und ganz „alle Aktionsgemeinschaften von Bürgern, die sich für kleinere, überschaubare Einheiten und für die Bürgernähe statt Bürokratie einsetzen“, versprach Scheucher.

Wiederherstellung von Kleingemeinden

Die Initiativen zur Wiederherstellung von Altgemeinden führten 1990 zu einer Novelle der Allgemeinen Gemeindeordnung (AGO) 1982 (LGBl. 35/1990). Die „Altgemeinden“ hatten gemäß § 8 AGO die Möglichkeit, aufgrund eines Gemeinderatsbeschlusses oder einer Befragung der Gemeindebürger die Selbstständigkeit wiederzuerlangen. Erforderlich war, dass mehr als die Hälfte der wahlberechtigten Bürger in der Altgemeinde für die Verselbstständigung stimmten. Wurden einige weitere Erfordernisse erfüllt, konnte die Landesregierung die Gemeinde mit Verordnung trennen.

Bei der Volksbefragung im Dezember 1990 in Deutsch-Griffen stimmten zwei Drittel für die Trennung von der Großgemeinde, in Glödnitz waren es 55 Prozent. Mit 1. Jänner 1991 wurde die Großgemeinde Weitensfeld-Flattnitz getrennt und Deutsch-Griffen, Glödnitz und Weitensfeld wurden wieder selbstständige Kleingemeinden. Die Altenmarkter wollten auch selbstständig werden, das scheiterte aber bei einer Abstimmung im September 1992 in der Gemeinde Glödnitz. Die Flattnitz blieb bei der Gemeinde Weitensfeld und kam per Landesgesetz am 1. Jänner 1994 wieder zur Gemeinde Glödnitz.

Bei der Gemeinderatswahl 1991 in Weitensfeld gewann die ÖVP neun, die SPÖ sechs und die FPÖ vier Mandate. Bürgermeister Johann Stromberger (ÖVP) konnte in einer Stichwahl mit 56 Prozent der Stimmen sein Amt gegen den Weitensfelder Lehrer Karl Kummerer (SPÖ) verteidigen und blieb bis 1997 Ortschef in Weitensfeld im Gurktal.

Neben den Gurktaler Gemeinden erlangten mit 1. Jänner 1991 fünf weitere Altgemeinden wieder ihre Selbständigkeit: Afritz, Feistritz ob Bleiburg, Feistritz an der Gail, Mörtschach und St. Georgen im Lavanttal.

Werner Sabitzer

Nach der Gemeindenzusammenlegung 1973 zog das Gemeindeamt Weitensfeld-Flattnitz in die Villa Spitzing

Heutiges Gemeindeamtsgebäude Weitensfeld im Gurktal seit 1989

Juni 21, 2023 Posted by | Das Gurktal - Geschichte und Geschichten, Kärnten - Geschichte, Weitensfeld im Gurktal | , | Hinterlasse einen Kommentar